Der Phönix-Effekt

Wie aus sanierungsbedürftigen Objekten moderne Lifestyle-Hotels werden

Der Hotel-Boom hält weiter an. Aber vielfach verwandeln sich in der Region alte Objekte ganz einfach in neue. Ganz besonders in Timmendorfer Strand.

Seit acht Jahren steigen die Zahlen der Neubauten stetig. In den kommenden drei Jahren sind nach Angaben des Hotelverbands
Deutschland (IHA) bundesweit weitere 695 Bauprojekte geplant. Damit kämen rund 100 000 Zimmer zusätzlich auf den Markt. Doch es gibt auch Bedenken: „Neue, große Häuser verdrängen immer mehr kleinere Hotels“, so der Verbandsvorsitzende Otto Lindner. Zudem stelle sich bereits die Frage, ob die Nachfrage den derzeitigen Kapazitätsausbau überhaupt tragen werde.

Dieser Artikel ist im Sommer 2018 in DIE WIRTSCHAFT erschienen, der Wirtschaftszeitung der Lübecker Nachrichten. Jetzt die gedruckte Version als PDF herunterladen

In Schleswig-Holstein müssen sich Hoteliers wegen der Auslastung nicht sorgen – das „Land zwischen den Meeren“ ist bei Urlaubern und Durchreisenden besonders beliebt, gilt als ganzjähriges Reiseziel.

Dabei lässt sich seit geraumer Zeit beobachten, wie eben kleinere Residenzen sich selbst neu erfinden und als moderne Lifestyle-Hotels nicht nur anders um die Gunst der Gäste werben, sondern auch ökologisch nachhaltiger, regional verwurzelter und konzeptionell visionärer erscheinen als so mancher Neubau-Koloss großer Hotelketten. In Timmendorfer Strand sind gleich vier alte Objekte zu neuen, charakterstarken Lifestyle-Hotels geworden. Umbau statt Neubau – ein Tourismus-Trend mit Zukunft?

Die Essenz der Küste

Nicht das Meer verbindet der Urlauber vor allem mit der Ostseeküste. Sondern: „Sand“.

Das erste, was die Urlauber am Ostseestrand mit der Natur verbindet, ist nicht das Meer, sondern der Sand. Grund genug, ein Hotel daraus zu machen – nicht aus dem Sand, doch wenigstens aus seinem Namen. Doch es scheint viel mehr als das zu sein, es gleicht einem Nachhaltigkeitsprojekt: Individualität, Qualität, Nachhaltigkeit und Natürlichkeit stehen für Marion und Lambertus Muller, geschäftsführende Inhaber des „Sand“ Lifestyle-Hotels, ganz oben auf der Tagesordnung. So wurde das naturbewusste Hotel nicht nur nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex zertifiziert, es verfügt auch über allerlei Innovationen, zum Beispiel durch die Nutzung erneuerbarer Energien.

Lifestylehotel SAND, © Antonia Böhlke

Im Jahr 1996 kauften die Mullers das frühere Hotel Timmendorfer Hof in der Strandallee. Vier Jahre später, nach ein paar kleineren Modernisierungen und während der Aufstockung des Hauses um zwölf weitere Zimmer, entstand bei ihnen der Wunsch, energieeffizient zu handeln. Durch die Anschaffung und Installation zweier Heizblockkraftwerke, die inzwischen durch Erdwärme ersetzt wurden, sowie einer Solaranlage zur Gewinnung von Warmwasser setzten sie ihre Vorstellung um. Im Jahr 2014 verfolgten sie ihre Idee eines rundum nachhaltig gestalteten Hotels weiter. Sämtliche Zimmer wurden modernisiert.

Das Interieur besteht aus Möbeln des niederländischen Projektentwicklers OTdesign, der in einer eigener Manufaktur unter anderem Stücke aus recyceltem Teakholz hergestellt hat. Die hochwertigen Betten, ebenfalls aus natürlichen Materialien, lieferte der Hersteller Coco-Mat. „Mit der Natur etwas Gutes und Harmonisches zu machen“, dazu will das „Sand“ seine Gäste inspirieren. Leicht, ungezwungen und stilvoll – diese Atmosphäre lenke auf das Wesentliche. „Wer einen Ausgleich vom Alltag sucht, Ruhe und Entspannung finden möchte, stylisch und zugleich preiswert untergebracht sein, in direkter Nähe zum Strand, ohne Kinder, ohne Zwang, und seine Zeit mit viel Komfort und Luxus genießen möchte, der ist hier genau richtig“, sagt Marion Muller. Mit seinem Konzept richtet sich das Hotel „Sand“ gezielt an junge, junggebliebene und auch gleichgeschlechtliche Singles und Paare.

„Duft und Inventar sollen bei uns nicht nur Sauberkeit, sondern die Natürlichkeit der Rohstoffe und Materialien vermitteln“, so Muller. Auch zur Reinigung der Zimmer würden ausschließlich „unbedenkliche und öko-fair gehandelte“ Materialien und Produkte verwendet werden. Noch eine Erweiterung des Hotels erfolgte 2017: Das Restaurant wurde umgebaut, die Zimmeranzahl wurde von 46 auf 77 erhöht und auf der Dachterrasse ist ein SPA-Bereich entstanden. „Wir sind sehr zufrieden mit dieser Entwicklung und konnten unsere Auslastung deutlich steigern“, sagt Muller.

Mit dem Herzen dabei

Das Romantik-Hotel Fuchsbau verbindet Tradition und Moderne.

Romantische Nächte im ländlichen Stil – das verspricht das familiär geführte Hotel Fuchsbau in der Dorfstraße. Historisch geht es auf ein altes reetgedecktes Gutshaus aus dem 19. Jahrhundert zurück. „Zunächst war es nur eine kleine Pension, die im Sommer ein paar Zimmer an Feriengäste vermietete, bis es schließlich zu einem Hotel wurde, das fortan regelmäßig erweitert und perfektioniert wurde“, erzählt Hauke Fuhrmann, heutiger Geschäftsführer der Romantik Hotel Fuchsbau GmbH.

Romantik-Hotel Fuchsbau, © FUCHSBAU

Die generationenübergreifende Geschichte des Hauses und das damit verbundene Traditionsbewusstsein beeindrucken: „Im Jahre 1915 eröffnete meine Urgroßmutter Frieda Ramcke das Hotel“, erläutert Fuhrmann, der das Anwesen im Jahr 2016 von seiner Mutter übernommen hat, die es zuvor über 40 Jahre lang erfolgreich führte.

Insgesamt besteht der Hotelkomplex aus fünf Gebäuden mit unterschiedlichen Baujahren. „Ein Abriss wäre oftmals einfacher gewesen, jedoch würde hier auch viel Charme und Geschichte verloren gehen“, sagt Fuhrmann. Für ihn sei es gerade der Reiz, die alten Gemäuer zu erhalten und gleichzeitig den „Staub zu entfernen“, um die Gebäude wieder jünger und frischer zu machen.

Schlicht, skandinavisch, ländlich, das ist der Stil, der die Gäste auf den Zimmern und Suiten des Fuchsbau Hotels erwartet. „Wir sind mit dem Herzen dabei“, sagt Fuhrmann und betont die „sehr geringe Fluktuationsrate unter den Mitarbeitern.“ Diese würden mit diversen Schulungen, Coachings, regelmäßigen Feedbackrunden und Mitarbeiterwohnungen gefördert und motiviert. Um das familiäre Bewusstsein auch den Gästen zu vermitteln, sind neben ihm auch andere Familienmitglieder im Haus – jederzeit für jeden ansprechbar.

Neben einer hochwertigen Ausstattung der Hotel-Zimmer mit Nespresso-Maschine und einer ausgiebigen Frühstückszeit bis zwölf Uhr mittags ist es für Hauke Fuhrmann vor allem die Küche, die das Hotel Fuchsbau besonders auszeichnet. „Wir kochen mit Produkten aus der Region und das auch noch so, wie man es von früher her kennt“, sagt er und führt fort: „Das heißt, unsere Sauce wird noch aus Knochen gekocht, das finden Sie heute kaum noch.“

Seit der Eröffnung des letzten Neubaus und des 700 Quadratmeter großen Spa-Bereichs mit Innenpool, Saunen, Dampfbad, Wellnessduschen, Ruheräumen, Eisbrunnen und Behandlungsräumen vor drei Jahren sei die Belegung erneut angestiegen. „Wir bewegen uns bei über 90 Prozent Auslastung, wobei auch die sonst eher ruhigen Wintermonate wieder stärker gebucht werden“, so Fuhrmann.

Hauptsache, der Gast fühlt sich wohl

Das Barefoot Hotel versteht sich als naturnahes Lifestyle-Haus.

Was macht ein Hotel erfolgreich? Die Lage? Der Service? Die Ausstattung? Beim Barefoot Hotel, in anderthalb Jahren aus dem einstigen Meridian Hotel in der Schmilinskystraße entstanden und im Juni 2017 mit viel Prominenz um Kinostar und Filmemacher Til Schweiger eröffnet, klingt die Antwort einfach: Hauptsache, der Gast fühlt sich wohl. „Unsere Zufriedenheitsrate von 99 Prozent und die vielen Aussagen unserer Gäste bestätigen: Man kommt rein und ist sofort im Wohlfühlmodus“, sagt Mirko Stemmler, Geschäftsführer der Barefoot Hotel GmbH.

Barefoot Hotel, © Nikolaj Georgiew

Schweiger wollte schon immer gern ein Hotel ausstatten oder designen. Gemeinsam mit seinem Bruder Nik gründete er 2014 die Barefoot Bros. Design UG & Co. KG. Kurz darauf entstand die Barefoot Living GmbH, deren Name als Interieur- und Lifestyle-Marke heute auch auf vielen Accessoires und Textilien im Hamburger Barefood Deli Restaurant und im Timmendorfer Barefoot Hotel zu sehen ist. „Als wir die erste Begehung vorgenommen haben, hat Til ein Foto vom Hotel aus der Jahrhundertwende entdeckt, mit schönen Holzbalkonen“, erzählt Stemmler, „und konnte sich vorstellen, diese Art der Atmosphäre wieder zu schaffen.“ So nutzte das Team die gute Grundsubstanz der in den 1930er Jahren erbauten Villa, um „Tils Lifestyle“ zu verwirklichen.

Holz, erdverbundene, warme Farbtöne und nachhaltige Materialien dominieren im Barefoot Hotel, benannt nach Schweigers Finca auf Mallorca „Es richtet sich an Menschen, die das Individuelle suchen und sich gleichzeitig entspannen möchten.“ Besonderen Wert habe man auf das Bett gelegt – als wichtigstes Möbelstück in einem Hotelzimmer. Es gibt eine Lounge mit Kamin für kühlere Abende, einen Gym- und Spa-Bereich sowie ein Restaurant, dessen saisonale und regionale Angebote auf dem Hamburger Restaurant basieren.

Das naturnahe Lifestyle-Hotel mit dem gewissen Promi-Faktor scheint gut anzukommen: „Es gibt für uns keine Unterscheidung mehr in Sachen Saison, die ist nun ganzjährig“, sagt Stemmler. Der einfache Stil, die hohe Gemütlichkeit und ein Service, der sich fernab der „sonst so steifen Hotellerie“ bewege, sprächen sich rum.

Verliebt in ein Haus am Meer

Das Fontana hat sich mit einem Trakt im klassizistischen Bäderstil neu erfunden.

Dem weiten Blick aufs Meer erlegen: Die Eltern von Sebastian Hamester, Geschäftsführer der Strandhotel Fontana GmbH & Co. KG, haben sich im Jahr 2005 in den idyllischen Standort des heutigen Hotels in der Strandallee, direkt an der Promenade verliebt.

Strandhotel Fontana, © FONTANA

Das damalige Haus bauten sie zunächst zu einem Garni-Hotel um. „Als für mich klar war, dass ich eine Laufbahn als Koch beginne und nicht in die väterlichen Fußstapfen des Versicherungsmaklers treten werde, haben wir als Familie beschlossen, in diese Zukunft zu investieren“, erzählt der studierte Betriebswirt, der vor seiner Kochkarriere im Unternehmen seines Vaters als Manager arbeitete. Zunächst hatte er mit seiner Frau Julia das Strandbistro Milchhäuschen übernommen. Im Jahr 2016 dann verwirklichten sie eine Ergänzung des bestehenden Gebäudes um das Fine-Dining-Restaurant Horizont, das eine Mischung aus asiatischer und nordischer Küche bietet.

Der Neubau im klassizistischen Bäderstil, innen zeitlos-elegant gestaltet, fügt sich harmonisch an den Klassiktrakt, der eine mediterran-warme Einrichtung besitzt. Verbunden sind die beiden Gebäude durch eine stilvolle Lobby und einen kleinen liebevoll gepflegten Garten mit Sonnenterrassen und Ruhezonen. „Wir verbinden so eine liebgewonnene Tradition und die Wünsche unserer langjährigen Gäste mit einem frischen Wind und heißen alle Gäste willkommen, die der Neubau fasziniert“, sagt Hamester.

Als Maßstab für Service und Qualität sehen sie sich selbst: Was würde ihnen selbst gefallen, wenn sie ins Hotel kommen? Was würden sie erwarten? Hamester führt das Hotel gemeinsam mit seiner Frau und Mutter Angelika, die sich beide um die Gäste kümmern, während der Chef selbst in der Küche steht. Sämtliche Möbel, Stoffe, Teppiche und Hölzer in den Zimmern, Suiten und Räumlichkeiten des Hotels seien größtenteils eigens für Familie Hamester angefertigt worden.

Im Herbst erwartet die Familie Spitzenköche – Drei-Sternekoch Thomas Bühner, Deutschlands jüngste Sterneköchin Julia Komp und Sternekoch Jens Rittmeyer. Mit ihnen wird Sebastian Hamester an drei Abenden etwas ganz Exklusives anrichten.

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