Ein romantisches Bild

Was steckt wirklich hinter dem Begriff der Start-up-Garage?

Oft fehlt es Gründern an Kapital, Wissen und Ressourcen, um ihre Ideen umzusetzen. In den Garagen wird vieles möglich.

Was haben Apple-Gründer Steve Jobs, Amazon-Chef Jeff Bezos und Medienguru Walter Elias Disney alias Walt Disney gemeinsam? Ihre Unternehmen sind nicht nur weltweit bekannt und erfolgreich, um sie ranken sich auch Legenden, es habe alles einmal in einer Garage begonnen.

Ein romantisches Bild. So romantisch, dass man heute versucht ist, es ihnen gleich zu tun. Vielleicht in der vagen Hoffnung, es könnte ein wenig von ihrem Glanz auf die Gründer von heute abfallen. Wahrscheinlich ist es der Wunsch, mit einer eigenen Idee einmal genauso erfolgreich zu werden wie die großen Vorbilder.

Dieser Artikel ist im September 2018 in DIE WIRTSCHAFT erschienen, der Wirtschaftszeitung der Lübecker Nachrichten. Jetzt die gedruckte Version als PDF herunterladen

Im Unterschied zu den erzählten Legenden handelt es sich bei den Start-up-Garagen nicht um von der Außenwelt abgeschlossene Räume, die man wie ein Tüftler nicht eher verlässt, bis man etwas bahnbrechend Neues entdeckt hat. In den Garagen von heute ist man vielmehr von vielen Menschen umgeben. Man arbeitet meist im Team. Mit Gleichgesinnten, Mentoren, Coaches und erfahrenen Konzern-Mitarbeitern – die einen mit verschiedenen Ressourcen wie Wissen, Erfahrung, aber auch Kapital unterstützen – erhält man die Chance, seine Ideen zu professionalisieren, um sie anschließend auf den Markt zu bringen.

Doch nicht jede Garage, auch Start-up-Hub oder Digital Lab genannt, funktioniert gleich. Insidern zufolge hat sich die Zahl der Angebote in den letzten vier Jahren so gut wie verdreifacht. Mitte 2016 hatten mehr als die Hälfte der Dax-Konzerne eine eigene Garage in Betrieb oder in Planung, die meisten davon in Berlin. Grundsätzlich lassen sich die angebotenen Start-up-Programme als Innovation Lab, Company Builder, Accelerator oder Inkubator klassifizieren.

Innovation Lab

Arbeiten etwa die Angestellten eines Unternehmens in einem eigenen, kreativen Umfeld an neuen Geschäftsideen, handelt es sich um ein Innovation Lab. Dabei werden oft unterschiedliche Abteilungen zusammengebracht, um von diversen Expertisen zu profitieren. Die Kooperation mit externen Start-ups spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Der große Vorteil: Im Innovation Lab kann sehr nah an den Bedürfnissen des Mutterkonzerns gearbeitet werden.

Company Builder

Beim sogenannten Company Builder geht es darum, eine neue Geschäftsidee auf den Weg zu bringen – und zwar von Anfang an. Dabei wird für gewöhnlich nicht auf die bestehende Unternehmensstruktur zurückgegriffen, sondern etwas gänzlich Neues erschaffen. Im Gegensatz zum Innovation Lab sind die Geschäftsideen nicht unmittelbar auf das Kernprodukt des Mutterkonzerns abgestimmt, es geht vielmehr um Eigenständigkeit.

Accelerator

Der Accelerator ermöglicht externen Start-ups, an einem auf wenige Monate begrenzten Förderprogramm teilzunehmen. Das Start-up kann über Räumlichkeiten verfügen und wird von Ratgebern betreut. In seltenen Fällen erfolgt auch ein erstes Investment, meist aber nur gegen ein paar Firmenanteile. Der Fokus liegt dabei auf Start-ups, die sich in einer frühen Phase ihrer Entwicklung befinden.

Inkubator

Ähnlich dem Accelerator ist der sogenannte Inkubator. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Programm, in dem sich ein Start-up bestmöglich zur Geschäftsreife entwickeln soll. Im Unterschied zum Accelerator agieren die Gründer hier jedoch viel freier, es gibt keinen festen Rahmen. Dafür bleiben die Start-ups über einen längeren Zeitraum, nicht selten bis zu zwei Jahren, an das Förderprogramm gebunden.

In Schleswig-Holstein gibt es derzeit zwei Start-up-Garagen, die von sich reden machen: Im Herbst 2015 initiierte die Comdirect Bank AG in Quickborn als erste deutsche Bank eine Start-up-Garage für Gründer im Finanzbereich. Im Januar 2016 ist das Programm erstmalig gestartet. Es handelt sich um einen Acceleratoren, der 2017 vom Capital-Magazin ausgezeichnet wurde und einen Innovationspreis erhalten hat. Die Idee: Gründer und ihre Start-ups können sich direkt bewerben und ihre Prototypen mit Unterstützung der Comdirect umsetzen und testen.

Für die Comdirect sei die Garage ein wichtiges Instrument im Rahmen ihres Innovationsmanagements, weil die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten so um externe Quellen erweitert würden. „Während der Zeit in der Start-up-Garage erhalten die Gründer die notwendige Infrastruktur und Ressourcen wie kostenfreie Arbeitsräume oder Soft- und Hardware“, sagt Jana Koch, Leiterin der Comdirect Start-up-Garage. Darüber hinaus würden sie „den Zugang zu mehr als drei Millionen Kunden, Know-how und Austausch von und mit Experten der Bank“ erhalten. Dabei „oktroyiert die Comdirect den Gründern kein Programm auf“, sondern es gehe darum, sämtliche Unterstützung an den individuellen Bedürfnissen der Start-ups auszurichten. Besonders ist, dass die Gründer zu 100 Prozent ihre Unabhängigkeit behalten sollen, eine Abgabe von Eigenkapitalanteilen werde nicht verlangt.

Das Garagen-Programm selbst ist auf jeweils drei Monate ausgelegt. Auf Basis der Präsentationen, die am Finaltag stattfinden, entscheide sich die Comdirect dann, mit welchem der Start-ups es in Zukunft weiter kooperieren möchte.

Eine rein betriebsinterne Form der Start-up-Garage hat dagegen die Dräger AG in Lübeck etabliert. Auf den 500 Quadratmetern einer ehemaligen Werkshalle treffen sich täglich Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen, um sich auszuprobieren, verschiedene Ideen zu testen und zu verwerfen. Dabei fungiere die Garage inzwischen wie ein Thinktank, dessen Erkenntnisse in die Abteilungen zurückfließen.

Das Team der Innovationsabteilung bei Dräger, das die Garage im März 2016 gegründet hat, unterstützt die Mitarbeiter mit Kreativtechniken, Mentoring und Ansätzen für lösungsorientiertes Denken. Die Ideen, die so entstehen, reichen von marktgerechten Produkten für Entwicklungsländer, über neue Ideen für bestehende Geschäftsfelder und Apps für mehr Service, bis hin zu Ideen, wie man komplexe Prototypen möglichst schnell beim Kunden aufbaut anstatt sie vor Ort erst lange installieren zu müssen.

Die ersten beiden Ideen, die in der Dräger-Start-up-Garage entstanden sind, sollen noch dieses Jahr den Markt erreichen: ein mobiles Gasmessgerät und ein Monitoring-Produkt in einem neuen Geschäftsbereich.

„Die Entrepreneure der internen Start-ups bleiben unsere Mitarbeiter“, sagt Martina Ludewig von der Kommunikationsabteilung bei Dräger. Einige davon hätten allerdings schon ihre Position gewechselt, zum Beispiel vom Software-Entwickler zum New Business Developer. Ausgründungen werde es in Zukunft aber bestimmt geben.

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