Grüner Strom dank Biogas?

Biogasanlagen sind eine alternative Energiequelle, deren Schattenseiten immer deutlicher werden

Die Produktion steigt, aber die Subventionen wurden gestrichen. Biogas ist ein wichtiger Faktor im modernen Energiemix. Doch die Technologie ist umstritten.

Bis vor wenigen Jahren klang es noch nach Zukunftsmusik: In Schleswig-Holstein wächst der Anteil regenerativer Energien an der Stromerzeugung rasant. Bereits 2014 konnte die Atomkraft als Hauptenergiequelle erstmals mit 12,4 Millionen Megawattstunden Strom durch erneuerbare Energien abgelöst werden. Dies geht aus einem Bericht des Statistikamtes Nord hervor, in dem neben der Windkraft als wichtigster Treiber der schleswig-holsteinischen Energiewende auch das Biogas als nicht zu unterschätzender Faktor benannt wird. Immerhin sei der Strom aus der Biogasproduktion innerhalb des einjährigen Erhebungszeitraums um 4,1 Prozent auf 2,5 Millionen Megawattstunden angestiegen.

Dieser Artikel ist im September 2017 in DIE WIRTSCHAFT erschienen, der Wirtschaftszeitung der Lübecker Nachrichten. Jetzt die gedruckte Version als PDF herunterladen

Auch bundesweit scheint das Biogas eine bedeutende Größe für die voranschreitende Energiewende zu sein. So wurden nach Angaben des Fachverbandes Biogas allein im Jahr 2015 mehr als 9000 Biogasanlagen in Deutschland betrieben, die mit ihrer installierten elektrischen Leistung rund neun Millionen Haushalte mit umweltfreundlichem Strom versorgt haben sollen. Zugleich hätten diese Anlagen etwa 21 Millionen Tonnen CO2 eingespart, die alternativ durch die Nutzung fossiler Brennstoffe verursacht worden wären. Sie sollen zudem ein Umsatzvolumen von 9,2 Milliarden Euro generiert und über 40 000 Arbeitsplätze in der Biogasbranche gesichert haben. Dabei sei es ein enormer Vorteil, dass Biogas über längere Zeit zwischengespeichert und bedarfsgerecht in die Stromnetze eingespeist werden könne, wodurch beispielsweise die schwankende Produktion aus Wind- und Sonnenenergie regulierbar bleibe.

Um sich die Vor- und Nachteile weiter zu verdeutlichen, ist es wichtig zu wissen, wie Biogas überhaupt entsteht: In Biogasanlagen werden die sogenannte Substrate wie Gülle und Stallmist oder Pflanzen wie Mais, Roggen oder Zuckerrüben, aber auch organische Reststoffe wie Rasenschnitt oder Speisereste biologisch abgebaut. Dazu wird in luftdichten Behältern und unter Verwendung bestimmter Bakterien ein Vergärungsprozess angeregt, bei dem nach etwa 30 Tagen – neben einigen anderen Stoffen – Biogas entsteht, das dann abgesaugt und über einen Speicher zu einem Blockheizkraftwerk geleitet wird. Die in einem solchen Werk wirkende Kraft-Wärme-Kopplung sorgt schließlich für die Strom- und Wärmeerzeugung. Obendrein können die Landwirte die letztlich vergorenen Pflanzenreste als hochwertigen Dünger verwerten.

Doch die Biogasproduktion birgt auch Schattenseiten. So beklagt beispielweise der Naturschutzbund NABU in Schleswig-Holstein seit Jahren, dass der für die meisten Biogasanlagen so wichtige Maisanbau ein großes Potenzial an Umweltbelastungen besitze. „Er belastet das Grundwasser durch Nitrateinträge. Im Winter und Frühjahr werden von den kahlen Maisäckern Nährstoffe in die Seen und Bäche abgeschwemmt, zumal Maisäcker in der Regel übermäßig vor allem mit Stickstoff versorgt werden“, heißt es. Zudem würden die gezielt angelegten Monokulturen durch Humusabbau die Bodenqualität gefährden. Auch das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Schleswig-Holstein schätze dies als problematisch ein. Der NABU attestiert Biogasanlagen, für die Mais – ausgerechnet das anteilig am meisten genutzte Substrat – auf ehemaligen Grünlandflächen angebaut wird, eine schlechtere Treibhausgasbilanz als moderne Gaskraftwerke sie hätten.

Zur Freude der Naturschützer und zum Gram aller Landwirte wurde die Subvention für die Biogasproduktion aus der Maisvergärung mit der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetztes im Jahr 2012 gestrichen. Dadurch sei der jahrelange Zuwachs an Biogasanlagen in Schleswig-Holstein inzwischen zum Erliegen gekommen, wie Dirk Wietzke, Experte für Biogasanlagen bei der Landwirtschaftskammer gegenüber der SHZ erklärte. Derzeit würden noch rund 650 Biogasanlagen bestehen, deren Zukunft jedoch größtenteils äußerst ungewiss sei. Durch die fehlenden Subventionen könnten mehr und mehr Biogasanlagen, insbesondere bei teuer gepachteten Fremdflächen und zusätzlich georderten Maisimporten, schon bald vor der Insolvenz stehen. Gleichwohl müsste es nicht für alle Biogasanlagen das Ende bedeuten, denn seither möchte der Gesetzgeber vor allem kleine, hofnahe Biogasanlagen fördern, die sich ganz bewusst der Verwertung von Gülle und Mist verschrieben haben. Nach einer Bilanz des Fachverbandes Biogas ließe sich die meiste Energie aus Mais gewinnen – insofern ist die politische Neuausrichtung hinsichtlich der Subventionen für Gülle einem rein ökologischen Gedanken gefolgt. So weit, so gut, doch wenn schon die Biogasproduktion aus Mais ohne Subventionen nahezu unmöglich erscheint, wie kostenschwer wird sich dann erst die Energieerzeugung aus Gülle gestalten?

Wie es im kleinen Rahmen gelingen kann, die Stromerzeugung aus den bestehenden Reststoffen eines landwirtschaftlichen Betriebs – ohne gezielten Anbau von Mais oder anderen Substraten – zu betreiben, zeigt die seit 2010 bestehende Biogasanlage auf dem Krumbecker Hof, etwas nördlich von Lübeck gelegen. Als Mitglied des Demeter-Verbandes wirtschaften die beiden Pächter Lukas Nossenheim und Gerhard Moser seit 1991 nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus. Neben der besagten Biogasanlage, in der Kleegras und Mist vergoren und so bis zu 400 Haushalte pro Jahr mit Strom versorgt werden, betreibt der Hof auch eine Windkraftanlage, die jährlich 7 Millionen kWh Strom für knapp 1800 Haushalte erzeugt. Die hofeigene Biogasanlage wird von der Landwirtschaftskammer als richtungsweisende Pilotanlage für mittlere Landwirtschaftsbetriebe eingestuft, die auf die Umwelt und den Nährstoffkreislauf im eigenen Betrieb achten wollen. Dabei stehe eben nicht der maximale Stromertrag im Vordergrund, sondern die Versorgung der Anlage mit hofeigenen Substraten, ohne also den Getreideanbau oder die Grünlandflächen zu verdrängen.

Was die Vergärung der Gülle betrifft, bleibt dennoch festzuhalten, dass sie gegenüber der Biogasproduktion aus Mais durchschnittlich 10 000 Kilowattstunden weniger Strom pro Hektar generieren wird. Dafür soll bei der Vergärung die ansonsten direkt in die Atmosphäre entweichende Methanimmission verhindert werden – ein Klimagift, das 25-mal gefährlicher als CO2 eingeschätzt wird, kann also aktiv bekämpft werden, wie eine Sprecherin des Fachverbandes Biogas bestätigt.

Übrigens: Die Bundesregierung plant, den Anteil an Biomethan im Erdgasnetz bis zum Jahr 2030 auf 10 Prozent zu erhöhen. Die Schleswig-Holstein Netz AG und Hanse Werk wollen in den nächsten drei Jahren 140 Millionen Euro investieren, um die norddeutschen Erdgasnetze auszubauen und deren Infrastruktur fürs Biogas fit zu machen. Ob nun aus Mais oder Gülle, ein baldiges Wiederaufleben der Biogasproduktion, die sich in jedem Fall als eine unverzichtbare Ausgleichsdisziplin der übrigen regenerativen Energiequellen darstellt, scheint sich bereits abzuzeichnen – und natürlich freuen sich letztlich auch die Landwirte, wenn die Umwelt etwas davon hat, denn die ist ja schließlich ihr Geschäft.

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