Business-Yoga ist keine Neuheit, jedoch geht die Integration von Yoga in Unternehmen eher langsam voran. Christoph Krelle hat sich auf dem Kongress „Business meets Yoga“ für uns umgehört, welche Ansätze, Entwicklungen und Chancen zu erkennen sind
Gong. Wie jeden Morgen sitzen die Angestellten im Kreis auf ihren Yogamatten. Ihr Chef lässt den warmen Ton der Klangschale sanft ausklingen, bevor er beginnt, sie zur Meditation anzuleiten. Sogar die Buchhalterin schließt die Augen, um sich ganz den Anweisungen ihres Chefs hinzugeben. Sie schwingen sich ein, entspannen sich eine Weile und fokussieren den größtmöglichen Erfolg für das Unternehmen – bis zum nächsten Meeting.
Dieser Artikel ist im August 2016 in Yoga Aktuell erschienen, der Zeitschrift für Yoga und spirituelle Lebensweise. Jetzt die gedruckte Version als PDF herunterladen
Doch mal ehrlich: Wie kann Yoga die Geschäftswelt bereichern? Auf welchen Wegen geht das, ohne dass die Mitarbeiter nur noch selbstoptimierter, stressresistenter und erfolgreicher werden? Wie ist es möglich, dass sich Unternehmen auch ganzheitlich den Philosophien des Yoga öffnen, um die Arbeitswelt zu entschleunigen?
Fragen, denen ich am 21. und 22. Mai an der EBC Hochschule in Hamburg nachging. Dort fand die Veranstaltung „Business meets Yoga“ statt, initiiert von der ehemaligen Karrierefrau und heutigen Yogalehrerin Vanessa Maempel: „Das klassische Leistungs- und Wettbewerbsdenken macht die Menschen sehr schnell unzufrieden“, sagt sie. Ihrem Tonfall ist noch anzumerken, dass sie früher Managementaufgaben in einem großen Mineralölkonzern übernahm. Ihre Vision: mehr Yoga, Entspannung und Achtsamkeit in die Unternehmen und Konzerne bringen.
Mehr Entspannung und Achtsamkeit – eine Forderung, die in der Geschäftswelt immer häufiger Beachtung findet. Anfang des Jahres sprachen die Forscher des Zukunftsinstituts in Frankfurt am Main sogar über Achtsamkeit als einen „Megatrend“. In ihrem Report zitieren sie unter anderem einen Artikel der Süddeutschen Zeitung, in dem es heißt, dass Mercedes seinen Mitarbeitern Mail-Zwangspausen angeordnet habe und die Konzerne Genentech, Intel und SAP mit wöchentlichen Achtsamkeitskursen aufwarten würden.
Yoga ganzheitlich in die Unternehmen bringen
Maempel verfolgt mehr als nur die Idee, „einmal die Woche auf der Yogamatte zu stehen“. Sie spricht von „integrierten Modellen“, die Mitarbeiter und Geschäftsführer gleichermaßen erreichen sollen. In ihrem Vortrag versucht sie, Parallelen zwischen der traditionellen Yogaphilosophie und unternehmerischen Motiven zu ziehen. Der Erfolg von Unternehmen sei demnach auch davon abhängig, wie sehr ihre Angestellten im Hier und Jetzt leben, wie unabhängig sie sich fühlen und ob sie positiv denken. Im Arbeitsalltag würde ein ruhiger und konzentrierter Geist helfen, Aufgaben gewissenhafter und bewusster zu erledigen. „Ich habe Menschen erlebt, die es innerlich geradezu zerrissen hat, weil sie nicht an zehn Orten gleichzeitig sein konnten, dabei können wir das alle nicht“, erzählt sie. Dort, wo die Mitarbeiter oft hohen Stressbelastungen ausgesetzt sind, müsse es in den Unternehmen einen Standard geben, „nach drei bis vier Stunden jeweils leichte Bewegungsabläufe und eine kurze Meditation für fünf bis zehn Minuten einzulegen.“
Ihre Ansätze sind nicht neu, sie werden nur selten umgesetzt. Und das, obwohl wissenschaftlich belegt ist, wie sie wirken. Schon vor Jahren machte etwa ein Forscherinnenteam um die Psychologin Ute Hülsheger an der Universität Maastricht öffentlich, dass gezielte Achtsamkeits- und Meditationsübungen zu mehr Zufriedenheit im Beruf führen und der emotionalen Erschöpfung vorbeugen können. Warum werden Yoga und Meditation dann noch von weiten Teilen der Wirtschaft belächelt? Und wie ist es möglich, Yoga möglichst ganzheitlich in die Unternehmen zu bringen?
Maempel erinnert sich an ihre frühere Karriere: „Dass einem eine Personalabteilung überhaupt zuhört und ein Unternehmen jemandem die Chance gibt, gemeinsam an Konzepten zu arbeiten, ist nicht selbstverständlich.“ Ihrer Erfahrung nach sei es wichtig, die Personen zu erreichen, die intern an der richtigen Stelle die Leute einer höheren Hierarchiestufe überzeugen können. Um Yoga möglichst ganzheitlich zu integrieren, denkt sie, dass vor allem die Geschäftsführung dafür offen sein sollte. „Wenn eine charismatische Führungskraft nicht nur sagt ‚Wir machen das‘, sondern sich selbst mit hinsetzt und ernsthaft meditiert, hat das einen enormen Einfluss“, so Maempel.
Auch kleine Schritte sind wertvoll
Nicht alle Referenten und Gäste auf der Veranstaltung sehen eine konzeptionelle Entwicklung als Voraussetzung. Miriam McHardy unterrichtet Yoga im Vinyasa-Flow-Stil, kombiniert mit vielen Meditations- und Atemübungen. Für sie sind es die kleinen Dinge, mit denen Yoga langsam in die Unternehmen kommt. „Wenn wir ein Meeting oder eine Konferenz mit einer Minute in Stille beginnen oder vorher, statt noch einmal die Unterlagen zu sichten, einfach kurz innehalten, ist ein großer Schritt getan“, findet sie. Denn Yoga sei trotz aller Argumente etwas, das jeder für sich selbst entdecken muss.
Warum also nicht einfach mit kleinen Meditationsübungen im Büro beginnen und mit seinen Kollegen darüber reden? Wenn sie so ihre Verbreitung finden, ist es gut, und wenn nicht, keine Schande. Yoga funktioniert eben nicht auf Dienstanweisung, sondern aus sich selbst heraus. Doch kann die Antwort so einfach sein?
Während des Vortrags von Ramon Marmolejos erkenne ich, wie sehr die Motivation der Übenden auch von ihrer eigenen Mentalität und inneren Reife abhängt. Der Mitbegründer von Emzigo, einem amerikanischen Unternehmen für Persönlichkeitsentwicklung, vermittelt den Gästen Weisheiten, anhand derer sie sich orientieren können, um ihren eigenen Weg der Erfüllung zu finden. Zwischendurch verteilt er Arbeitsblätter. Eine der Aufgaben lautet, den Satz „… is what matters.“ zu vervollständigen. Dabei beobachte ich, wie schwierig es vielen Teilnehmern fällt, ihre Antwort in Worte zu fassen. Andere ignorieren die Aufgabe, weil sie keine Antwort haben, die Antwort nicht ins Satzgefüge passt oder sie erst später, in Ruhe und allein, aufschreiben wollen.
So schwierig es sein kann, die scheinbar einfache Frage, was im Leben wirklich zählt, zu beantworten, so schwierig ist es, Yoga in ein Unternehmen zu integrieren. Denn es sind nicht zuerst die Rahmenbedingungen, die Yoga ermöglichen. Es sind die Menschen, die in den Unternehmen arbeiten, die entscheiden. Was bringt es, von heute auf morgen Yoga in ein Unternehmen einzuführen, wenn die Mitarbeiter gar nichts damit anfangen können?
Auch Maempel gibt zu: „Vor zehn Jahren hätte mich diese Veranstaltung nicht erreicht. Ich war zwar schon immer offen für Neues, aber ich hätte mir wahrscheinlich keine Zeit dafür genommen.“ Dennoch glaubt sie, dass zumindest zukunftsorientierte Unternehmen bereit sind, Yoga ganzheitlich in ihr Firmenkonzept zu integrieren.
Den Mitarbeitern etwas zurückgeben
Ein Unternehmen, das mit zu den innovativsten des deutschen Mittelstands zählt, ist die Composite Technologie Systeme GmbH in Geesthacht. Dort werden Faserverbundwerkstoffe entwickelt und vertrieben. Auf die Gesundheit der Angestellten wird sehr geachtet. Neben ergonomischen Arbeitsplätzen mit höhenverstellbaren Tischen ist auch ein Freizeitraum mit Tischtennisplatte und Power Plate vorhanden. Der Geschäftsführer Joachim Wilczek kann sich gut vorstellen, dass zukünftig auch Yoga seinen Platz in der Arbeitswelt finden wird. „Wenn die Mitarbeiter das gerne möchten und es einen Mehrwert für den Betrieb darstellt, warum nicht?“, erklärt er. Ohne die Angestellten wäre ein Großteil des Erfolges nie möglich gewesen. Deshalb sei es wichtig, ihnen auch immer wieder etwas zurückzugeben.
Ob sich andere Unternehmen daran ein Beispiel nehmen und wie Yoga in der Wirtschaft tatsächlich seine weitere Verbreitung findet? Wir dürfen gespannt sein.