Sabbatical, Elternzeit, private Projekte – aber wie soll man später die Lücken im Lebenslauf erklären? Mit Selbstreflexion und Storytelling
Larissa Meyer hat vor einem Jahr ihren Job gekündigt. Die ehemalige Vertriebsmitarbeiterin war ständig müde, konnte sich schlecht konzentrieren und noch schlechter motivieren. Die Arbeit machte keinen Spaß mehr und reizte sie immer weniger. Zunehmend fiel es ihr schwer, sich morgens aus dem Bett zu quälen. Und es frustrierte sie, dass sie durch ihren Job zu wenig Zeit fand, Sport zu treiben und in die Natur zu gehen. Dabei wohnt die Schleswig-Holsteinerin nah an der Ostsee. Irgendwann zog die Enddreißigerin die Reißleine – und kündigte von sich aus. In ihrem Job hatte die Kinderlose gut verdient und genügend Geld angespart, sodass sie eine Weile ohne Einkommen überbrücken konnte. Seitdem sie ohne Job ist, kommt sie fast jeden Morgen ans Meer, um den Tag in Ruhe zu beginnen und die Natur zu genießen. „Ich genieße es, dass ich mich wieder konzentrieren kann“, sagt sie.
Dieser Artikel ist im April 2016 als Gastbeitrag bei ZEIT ONLINE erschienen. Jetzt auf ZEIT.de weiterlesen
In einer Zeit, in der die Menschen ihr Leben immer mehr für die Arbeit hergeben, ist es mutig, seinen Job von sich aus zu kündigen und sich eine Auszeit zu gönnen. Aber man muss es sich wie Meyer finanziell leisten können. Für die Enddreißigerin hat ihre Entscheidung auch etwas mit Ehrlichkeit zu tun – sich selbst gegenüber – und der „Fähigkeit, zu erkennen, wann die eigenen Batterien leergelaufen sind“. Vor einer drohenden Langzeitarbeitslosigkeit hatte sie keine Angst. „Im Gegenteil“, sagt sie, „ich wusste, wenn ich mich wieder fit und startklar fühle, hole ich mir den Job, der zu mir passt.“
So eine Einstellung erfordert ein gesundes Selbstbewusstsein – und die Selbstsicherheit, auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich gefragt zu sein.
Genau das fehlt vielen Arbeitnehmern. Die meisten Beschäftigten fürchten sich heute davor, jederzeit ersetzbar zu sein. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist für die meisten Menschen nicht nur aus finanziellen Gründen ein Desaster. Arbeit definiert die soziale Stellung in der Gesellschaft. Der Beruf ist für viele auch identitätsstiftend. Hinzu kommt, dass eine Auszeit mit Faulheit gleichgesetzt wird. Müßiggang ist in der modernen Arbeitswelt nicht vorgesehen.
Dabei brauchen sich Arbeitnehmer nicht zu fürchten, wenn sie nach einer längeren Auszeit wieder auf dem Arbeitsmarkt für sich werben. Einer Studie der Technischen Universität Berlin zufolge wird eine Lücke im Lebenslauf von den meisten Personalverantwortlichen wohlwollend betrachtet – solange sie nur sinnvoll genutzt wurde.
Aber was genau heißt sinnvoll? Was sinnvoll für einen Arbeitnehmer ist, muss nicht notwendigerweise auch sinnvoll aus Sicht eines Arbeitgebers sein. Und trotzdem lässt sich bei jeder Erwerbsunterbrechung auch etwas Positives finden, das durchaus einen Mehrwert für ein Unternehmen darstellen kann.
Als Bewerbungsberater ermutige ich Jobsuchende, möglichst offen mit ihren Werdegängen umzugehen. Denn jede Lücke hat eine positive Seite. Wer etwa ein Sabbatical genommen hat und in dieser Zeit beispielsweise durch die USA gereist ist, kann die praktische Schulung seiner Englischkenntnisse betonen. Die Pflege eines Familienangehörigen zeugt von emotionaler und sozialer Kompetenz. Das Gleiche gilt für Erziehungszeiten von Kindern. Und wer die Arbeitslosigkeit genutzt hat, um sich selbst ein bisschen mehr zu verstehen, kann stolz auf die Ergebnisse seiner Selbstfindung blicken.
Neues an sich selbst entdecken
Dazu ist es wichtig, dass sich jeder Bewerber zunächst einmal selbst reflektieren lernt. Wer bin ich? Wo komme ich her und wo will ich hin? Was bedeutet mir das Leben? Was gibt mir einen Sinn? Dabei stellen sich oft interessante Zusammenhänge heraus, die auch die Lücke im Lebenslauf erklären. Im Idealfall erkennen die Bewerber plötzlich Fähigkeiten an sich selbst, die abseits ihrer bisherigen Laufbahn liegen und beruflich noch kaum gefördert wurden.
Auch Larissa Meyer zählt zu denen, die sich aufgrund ihrer beruflichen Auszeit erst richtig finden konnten. Sie hat in ihrer Auszeit beschlossen, den Job zu wechseln und als Trainerin im Bereich Fitness und Wellness zu arbeiten. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, daher fällt ein Wechsel in dieses Feld leichter als in einen staatlich anerkannten Beruf, der einen offiziellen Berufsabschluss erfordert. Allerdings muss Meyer auch für eine Tätigkeit als Wellnesstrainerin kostenpflichtige Weiterbildungen absolvieren. Das geht jedoch auch nach und nach. In ihrem ersten Beruf konnte sie ein ausreichendes Polster ansparen, das ihr nun den Wechsel ermöglicht. Zugleich tritt sie offensiv bei der Agentur für Arbeit auf und besucht auch eine Gründerberatung. Hier überzeugt Meyer die zuständigen Berater. Denn in ihrer Auszeit ist ihr klar geworden, dass sie aus ihrem Job als Vertriebsexpertin sehr viel Berufserfahrung mitbringt, die sie nun einfach übertragen kann. Sie baut auf ein festes Fundament – und das ist von Vorteil. Ihre Vision: mit einer Mischung aus selbständiger Tätigkeit und festen Jobs als Trainerin in Fitnessstudios, Wellnesshotels und Kurkliniken sowie für Einzelklienten arbeiten.
Jede Lücke hat etwas Positives
Aber wie verkauft sie die Lücke ihrer Auszeit im Lebenslauf positiv? Generell sagen Lücken eher wenig über die Persönlichkeit eines Bewerbers aus. Selbst wenn der Grund bekannt ist, bleibt noch viel Spielraum für Interpretationen. Daher empfehle ich ihr, das Anschreiben offensiv zu gestalten. Am besten ist es, wenn sie ihre Persönlichkeit selbst darstellt – in Form einer Story. Dies hat den Vorteil, dass beim Leser sowohl kognitive als auch emotionale Effekte bewirkt werden. Damit bleibt sie potentiellen Auftraggebern länger im Gedächtnis.
Als Erstes geht es darum, den Bewerber als Protagonisten einzuführen. Welche Stärken hat er? Was zeichnet ihn aus? Warum bewirbt er sich für die Stelle? Welche Ausbildung bringt er mit? Welche Referenzen konnte er bisher sammeln? Hier kann Meyer aus ihrer bisherigen Vita profitieren.
Im zweiten Abschnitt – der dem Höhepunkt einer Geschichte gleicht und die Figur ihren Tiefpunkt erreicht – erfährt der Leser von der Lücke im Lebenslauf. Hier sind Emotionen erwünscht, damit die Lösung des Konflikts – also das persönliche Ergebnis der beruflichen Auszeit – im direkt anknüpfenden Schlussteil ein positives Bild hervorruft. Wer dabei übertreibt, erntet mit Sicherheit eine zweifelhafte Resonanz. Darum sollte das Anschreiben gut durchdacht sein. Hilfreich ist, den Text von einer Person des Vertrauens noch einmal prüfen zu lassen.
Storytelling statt Herumstammeln
Bei Larissa Meyer liest sich das beispielsweise so: „Nach mehr als acht Jahren im Vertriebsbüro spürte ich, dass sich mein Körper nach einem radikalen Ausgleich sehnte. Ich nutzte die Zeit, um mich selbst zu regenerieren und fand den Weg zurück zum Sport. Inzwischen habe ich ein eigenes Fitness- und Wellnesskonzept entwickelt, das ich sehr gerne als feste Kursleiterin in Ihr Studio einbringen möchte.“
Ist die berufliche Auszeit übrigens länger her, genügt es, diese nur im Lebenslauf zu erwähnen. Eine besondere Geschichte im Anschreiben ist überflüssig, schließlich gehört sie dann der Vergangenheit an. In jedem Fall macht es Sinn, eine größere Lücke im Lebenslauf mit einem passenden Schlagwort wie zum Beispiel „Selbstfindungsphase“, „Berufsorientierung“ oder „Bildungsreise“ zu titulieren. So bekommen die Personalverantwortlichen einen Hinweis darauf, welchen Wert diese Zeit für den Bewerber hatte. Eine diesbezügliche Nachfrage im Vorstellungsgespräch ist nur vorteilhaft. So kann der Bewerber seine Story noch einmal persönlich erzählen – und in der finalen Auswahl mit Soft Skills punkten.
Bei Larrissa Meyer hat der Wechsel übrigens funktioniert. Als selbstständige Trainerin kommt sie gut über die Runden. Sie verdient zwar etwas weniger Geld als als festangestellte Vertriebsmitarbeiterin. Aber dafür hat sie wieder das Gefühl, Herrin über ihre Zeit und ihr Leben zu sein – und sie kann das tun, was ihr im ersten Beruf fehlte: Sport treiben und viel am Meer sein.