Nur gut sein hilft nicht

Was macht Start-ups erfolgreich? Braucht es bessere Bildung?

Sozialkunde, Volkswirtschaft, Recht, Buchhaltung – welchen Unterricht brauchen die Gründer von morgen?

„Weder in der Schule noch im Studium wurde ich auf das Thema Selbständigkeit vorbereitet“, berichtet Nadine Sydow. Sie ist Gründerin der Solvoluta GmbH in Kiel, einem Unternehmen, das ökologische Lösungen zur pestizidfreien Schädlingsabwehr entwickelt und vertreibt. Als der studierten Biologin klar wurde, dass die erste Idee für ihre Unternehmung „kein Selbstläufer wird“, dachte sie darüber nach, nicht allein, sondern mit einem erfahrenen Geschäftspartner zu gründen.

Dieser Artikel ist im September 2018 in DIE WIRTSCHAFT erschienen, der Wirtschaftszeitung der Lübecker Nachrichten. Jetzt die gedruckte Version als PDF herunterladen

Sie konnte schließlich einen Business Angel gewinnen, den promovierten Physiker Peter Rehders, der sie seit drei Jahren begleitet und geschäftsführende Aufgaben übernimmt. Rehders arbeitete mehr als 15 Jahre lang in Führungspositionen bei der Lufthansa Technik AG und als Geschäftsführer eines Tochterunternehmens der Stadtwerke Flensburg.

Damit hat Sydow einen Partner an ihrer Seite, von dem sie viel lernen kann und der ihr trotzdem genug Raum lässt, um auch eigene Erfahrungen zu machen. Denn für Sydow sind es vor allem die Unerfahrenheit in der Geschäftswelt und ein paar Dinge an ihrer eigenen Persönlichkeit, die sie am Anfang der Gründerzeit besonders beschäftigt haben. „Als es zu den ersten Verhandlungen kam, musste ich zum Beispiel anfangen, mich selbst ernster zu nehmen“, erzählt sie. Inzwischen ist sie selbstbewusster geworden, war mit Rehders sogar schon im Fernsehen bei der „Höhle der Löwen“ auf Vox, aber auch auf anderen Kanälen – Erfahrungen, die einem keiner beibringen kann, außer man tut sie.

Learning by doing, wie sollte man sonst das Gründen lernen? Sich einen Business Angel an die Seite zu holen, ist da schon viel, sagen manche. Andere finden, die Gründer von morgen sollten bereits in der Schule auf die berufliche Selbständigkeit vorbereitet werden. Andreas Peichl vom Ifo-Institut in München findet etwa, „dass die Schulen bei den Themen Wirtschaft, Steuern und Vermögensbildung besser ausbilden sollten.“ Da der Erfolg der Bildung aber noch stark vom Elternhaus abhänge, sei es gleichfalls wichtig, die Bildung für Kinder unter drei Jahren angemessen zu fördern. Beim Ausbau der Kitas müsse es mehr um die Förderung der Fähigkeiten der Kinder gehen, weshalb speziell ausgebildete Lehrkräfte notwendig seien.

Dass gute Bildung tatsächlich einen Einfluss darauf haben kann, wie erfolgreich man als Unternehmer ist, belegt eine aktuelle Studie von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Kassel. Anhand von dänischen Arbeitsmarktdaten stellten sie fest, dass wer ein Studium abbricht, daraufhin wahrscheinlicher ein Unternehmen gründet als jemand, der sein Studium regulär abgeschlossen hat. Jedoch zahlte sich der Schritt im Vergleich zu den studierten Wettbewerbern nicht aus: Sie machten im Schnitt einen Umsatz von umgerechnet rund 49.000 Euro, während die Uniabsolventen einen Jahresumsatz von rund 65.000 Euro erzielten. Auch das Einkommen der Gründer selbst sei im Schnitt um etwa 17 Prozent geringer ausgefallen.

Daneben wirken Mark Zuckerberg, Bill Gates und Steve Jobs als die weltweit erfolgreichsten Studienabbrecher wie statistische Ausreißer – an denen sich die moderne Start-up-Szene aber mit Vorliebe orientiert. Denn natürlich, eine Garantie für den Erfolg scheint es nie zu geben – weder mit noch ohne Studium, nur dass gute Bildung die Chancen zumindest in der Theorie etwas steigen lässt.

Betrachtet man die Prognosen anderer Forscher, etwa die vom Institut für Mittelstandsforschung, dann wird die Zahl der Neugründungen in Deutschland künftig weiter sinken. Laut Startup-Monitor, über den jährlich Gründer direkt befragt werden, sind die überbordende Bürokratie und das für Gründer wenig verfügbare Kapital die beiden größten Hürden – von mangelnder Bildung ist de facto keine Rede.

Und doch steht gerade für junge Gründer die Frage im Raum: Wie anfangen? Wie kann ich Gründen lernen? Sibylle Detel, Psychologin an der Freien Universität Berlin, sucht darauf Antworten. Ihr diagnostischer Ansatz, der in Deutschland bislang einmalig sei, beruht auf Differentieller Psychologie und Persönlichkeitspsychologie. Dabei stehen sogenannte veränderbare Persönlichkeitsmerkmale im Vordergrund, die sie gemeinsam mit dem Gründer erfasst und anschließend auswertet.

Wichtig für die Unternehmerpersönlichkeit seien soziale Kompetenzen, lösungsorientiertes Denken und die Fähigkeit, Situationen richtig einzuschätzen. Ein hoher Anspruch an sich selbst und eine starke Proaktivität würden ebenfalls benötigt, um die eigene Unternehmung voranzutreiben. Erfolgreiche Gründer seien oft Menschen, die daran glauben, selbst etwas bewirken zu können und auch in schwierigen Situationen selbständig handeln. Sie nehmen gezielt Einfluss statt äußere Umstände, Personen, Zufall oder andere Außenfaktoren als Ursache zu sehen. Mithilfe von praktischen Übungen, Videoaufzeichnungen und Feedbacks erhält der Gründer bei Detel ein realistisches Bild über seine Stärken und Schwächen. Dieses soll zum Nachdenken anregen und für Veränderungen sensibilisieren. Am Ende kann die Einsicht stehen, „dass zum Beispiel ein Mitglied des Gründerteams ein Kompetenztraining für den Vertrieb oder zur Verhandlungsführung absolvieren sollte.“

Speziell in Schleswig-Holstein gibt es derzeit sechs anerkannte Stellen, an die man sich als Gründer wenden kann, um sich zu informieren, eine individuelle Beratung oder Business-Analyse zu erhalten. Das Zentrum für Entrepreneurship an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Das Start-Up-Office der Fachhochschule Kiel. Der Gründer-Cube der Stiftungsuniversität Lübeck. Das Institut für Entrepreneurship und Business Development der Fachhochschule Lübeck. Das Dr.-Werner-Jackstädt-Zentrum für Unternehmertum und Mittelstand in Flensburg. Und die Existenzgründerberatung für Kreativwirtschaft an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. In verschiedenen Abständen werden jeweils auch Workshops und Kurse angeboten, zum Beispiel zum Thema Marketing, Personal oder Buchhaltung.

Ähnlich wie bei Nadine Sydow, die sich – um ihre Erfahrungen nicht umsonst zu machen – erstmal einen Business Angel an die Seite geholt hat, scheint es für Gründer vor allem notwendig zu sein, an ihrer eigenen Persönlichkeit zu wachsen. Risikobewusstsein und Führungsstärke seien oft die Merkmale, die die Gründer mit Managern gemeinsam haben. Nur sie müssen auch lernen, ihre Stärken richtig einzusetzen.

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